Buchpräsentation mit Prof. Dixon Chibanda
22. Juli. 2025 / Campusleben / Wissenschaft & Forschung
“The Friendship Bench: How Fourteen Grandmothers Inspired a Mental Health Revolution”
The Friendship Bench (Die Bank der Freundschaft): Wie vierzehn Großmütter eine Revolution im Umgang mit psychischer Gesundheit inspirierten
Bereits zum zweiten Mal durften wir Prof. Dixon Chibanda, den Gründer und CEO der international operierenden Nichtregierungsorganisation (NGO) „Friendship Bench“ (FB) auf dem Campus der Theologischen Hochschule Friedensau in Friedensau (Sachsen-Anhalt) begrüßen. Friendship Bench bezeichnet ein gemeindebasiertes niedrigschwelliges Gesprächsangebot für Menschen, die sich isoliert fühlen, unter Einsamkeit leiden oder sich allgemein in einer belastenden Lebenssituation befinden. Der Name „Friendship Bench“ resultiert daraus, dass die Gespräche auf Parkbänken im öffentlichen Raum stattfinden. Er symbolisiert eine Begegnungsstätte, die einen vertrauensvollen, sicheren Ort verkörpert, an dem es möglich wird, die eigene belastende Lebenssituation oder ein Problem, die eigene „Geschichte“, zu erzählen. FB-Begleiter und -Begleiterinnen hören offen zu, ohne zu urteilen. In einfühlsamer und warmherziger Art und Weise sind sie für die Besucher und Besucherinnen da und begleiten sie bei der Suche nach einer für sie passenden Lösung und deren Umsetzung. Das Besondere daran ist, dass dieses gemeindebasierte Beratungskonzept durch geschulte Laien, in der Ursprungsversion (und immer noch zu einem hohen Anteil) von Großmüttern durchgeführt wird. In zahlreichen Studien konnte die Wirkung des Ansatzes wissenschaftlich nachgewiesen und hochrangig publiziert werden. Obwohl dieses ungewöhnliche Konzept aus der strukturellen politischen und wirtschaftlichen Lage im Ursprungsland von Friendship Bench, Simbabwe, sowie der Versorgungslage im Sozial- und Gesundheitssektor vor Ort geboren wurde, findet es mittlerweile weltweit Beachtung. Der aus Simbabwe stammende Psychiater, Prof. Dixon Chibanda, gehört seit vielen Jahren zu gefragten Rednern und Beratern sowohl im Public Health Bereich der WHO als auch beispielsweise dem World Economic Forum, the Aspen Ideas Festival und der TEDWoman conference, die Friendship Bench einem internationalen Publikum in großem Umfang zugänglich machte.
Im April 2025 hatte Prof. Chibanda bei einer Kickoff-Veranstaltung anlässlich der erstmaligen Implementierung von Friendship Bench in Deutschland das zentrale Element von Friendship Bench folgendermaßen beschrieben: „It‘s all about Human Connection“, worum es geht, ist menschliche Verbundenheit, menschliches Miteinander. Obwohl die im April geplante Buchpräsentation aus logistischen Gründen des Verlags verschoben werden musste, konnten wir sie am 22. Juni 2025 nachholen. Ungeachtet der Sommerhitze von 33 Grad hatte Prof. Chibanda Passagen gelesen, die nicht nur die Motivation und den Ausgangspunkt des Projekts beschreiben, sondern Kernbotschaften für unseren multikulturellen Campus und die gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen unserer Zeit beinhalten:
Den Ausgangs- und Motivationspunkt von Friendship Bench, einer kostenlosen, fußläufig erreichbaren Anlaufstelle für Menschen in schwierigen Lebenssituationen, bildet der Suizid einer Patientin von Prof. Chibanda, Erica. Sie konnte nicht wie geplant zur weiteren Behandlung in die Klinik kommen. Ericas Mutter berichtet: „Wir konnten nicht kommen, weil wir kein Geld für die Busfahrt zum Krankenhaus hatten“ (S. 19). Diese für Chibanda traumatisierende Erfahrung motivierte ihn, Angebote für Menschen wie Erica und ihre Familie zu entwickeln. Die Lösung sieht Chibanda im kontinuierlichen Aufbau gemeinwesenbasierter Erstanlaufstellen: im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen fußläufig erreichbare Parkbänke, auf denen geschulte Großmütter für Gespräche verfügbar sind. Die Vermutung, dass dieses Konzept ausschließlich in Ländern des Globalen Südens gebraucht würde und funktionieren könnte, widerlegen nicht nur zahlreiche internationale Studien, sondern der weltweite Bedarf an Menschen, die da sind, zuhören, einen sichern Raum eröffnen inmitten einer zunehmend von Isolation und Einsamkeit geprägten Welt. Einsamkeit und Depression gehören zu den Hauptbelastungen, für die Friendship Bench jedoch ein kulturspezifisches Pendant der Shona Sprache verwendet, kufungisisa, was übersetzt „zu viel nachdenken/grübeln“ bedeutet. Chibanda führt dazu aus: „Überall auf der Welt erkennen wir zunehmend, dass der Aufbau von Gemeinschaften von entscheidender Bedeutung ist, insbesondere angesichts der Zahl der Menschen, die mit Einsamkeit und Isolation zu kämpfen haben.“ Dazu kommen – neben anlagebedingten Dispositionen – die sogenannten Sozialen Determinanten von Gesundheit: die vielfältigen politischen, ökonomischen und sozialen Faktoren, die für das Entstehen von psychischen Belastungen mitverantwortlich sind. Laut Chibanda liefern die 14 Großmütter – reich an Lebenserfahrung und geprägt von den vielen Wunden des Lebens – folgende Erklärungen: „Die Großmütter erkannten zwar, dass es oft mit Stresssituationen einherging, sahen darin jedoch keineswegs das Hauptsymptom einer Krankheit. Vielmehr handelte es sich um eine natürliche Reaktion auf eine Vielzahl sozialer, familiärer, politischer und wirtschaftlicher Herausforderungen, mit denen die Menschen konfrontiert sind – etwas, worüber ich nach Murambatsvina und dem Verlust von Erica ebenfalls tiefer nachgedacht hatte“ (S. 53). Chibanda lernt im Laufe seiner Arbeit mit den Großmüttern, beide Welten anzuerkennnen. In Simbabwe geboren, absolvierte Dixon Chibanda sein Medizinstudium in Tschechien und reflektiert selbstkritisch über seine einseitig geprägte Sichtweise: „Während ich eine eher westliche Sichtweise auf das Leben angenommen hatte – als atomisierte Teile eines stets fragmentierten Ganzen –, erkannten die Großmütter etwas, das die Welt insgesamt gerade erst zu erkennen und zu würdigen beginnt: Wir sind alle miteinander verbunden, und wenn wir das nicht bald begreifen, könnte uns unser anhaltendes Gefühl der Isolation auseinanderreißen“ (S. 116). Ungeachtet seiner eigenen Biografie, der empfundenen Einseitigkeit aufgrund seines westlich geprägten Medizinstudiums, betont er während der Buchpräsentation, dass es trotz kultureller, historischer und ethnischer Unterschiede die Gemeinsamkeiten sind, die Menschen weltweit teilen und auf die wir uns konzentrieren sollten – nicht auf die Unterschiede, die uns trennen.
Offen für Fragen jedweder Art und hinsichtlich der dafür entstehenden Zeit kam Prof. Dixon Chibanda mit unseren Studierenden ins Gespräch, lud Studierende ein, selbst gewählte Passagen zu lesen und zu kommentieren. Spontane, vertrauensvolle Situationen entstehen, es wird klar, dass es an der Persönlichkeit dieses Menschen liegt, die diese Art von Begegnung und Dialog erlaubt. Wir als Hochschule freuen uns auf eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit (Text: Prof. Dr. phil. Dr. rer. medic. Silvia Hedenigg | All Fotos: Theologische Hochschule Friedensau | Inna Mayer).
Videoaufzeichnung der Buchvorstellung

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