Die Bahnstation Pabsdorf-Friedensau – ein verlorener Ort
24. Jan. 2024 / Campusleben / Events
In einem Reisebericht von Ludwig Richard Conradi, den er im April 1898 in der Gemeindezeitschrift „Zions-Wächter“ veröffentlichte, findet sich eine eher nebensächliche Bemerkung: „Dienstag [22. März 1898] besuchte ich eine kranke Schwester in einer Mühle bei Pabsdorf und hatte das Abendmahl mit den drei Schwestern hier.“ Die Fahrt dahin unternahm er mit der Kleinbahn von Burg aus. Diese Linie war erst zwei Jahre zuvor eingeweiht worden.
Den Fußweg bis nach Friedensau …
Conradi fuhr bis zum Haltepunkt Pabsdorf und hatte von dort aus noch einen halbstündigen Fußweg vor sich, ehe er die Klappermühle erreichte. Der Besuch scheint einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen zu haben, sonst hätte er nicht für das nächste Jahr die Konferenz ins etwa 25 km entfernte Magdeburg anberaumt, auf der der Gründungsbeschluss für Friedensau gefasst wurde. Es scheint, als habe auch diese Bahnanbindung einen wichtigen Ausschlag dafür gegeben, dass die Ortswahl für die geplante Missionsanstalt auf die Klappermühle/Friedensau fiel. Obwohl auch in Grabow – 5 km in der entgegengesetzten Richtung von Friedensau – eine Haltestelle der Kleinbahnlinie Burg-Ziesar lag, bot sich die Verbindung nach Pabsdorf an, weil der Weg dorthin nur gut 2 km betrug.
Mit der Kleinbahn gut erreichbar
Der Haltepunkt der Kleinbahn entwickelte sich schon bald zu einem gut frequentierten Ort, vor allem dann, wenn besondere Veranstaltungen in Friedensau stattfanden, wie zum Beispiel die jährlichen Lagerversammlungen im Sommer. Nicht alle mussten dann das letzte Stück des Weges zu Fuß gehen. Wer es sich leisten konnte, wurde mit der Friedensauer Kutsche abgeholt. Schon bald arbeitete hier ein Träger, der die Patienten des Sanatoriums von der Bahn abholte und ihre Koffer auf einer Schubkarre transportierte – wahrlich keine leichte Arbeit.
Ein Warteraum für die Reisenden
Nachdem in Friedensau eine Nährmittelfabrik gebaut worden war, musste auch der gesamte Warenverkehr über den Haltepunkt Pabsdorf abgewickelt werden. So machte es sich erforderlich, die Gleisanlagen um ein zusätzliches Abstellgleis zu erweitern. Doch die Waren mussten auch gelagert werden. Damit ergab sich die Notwendigkeit, ein Gebäude zu errichten. Nein, kein Bahnhofsgebäude, sondern Abstellmöglichkeiten für Waren und Reisegepäck und ein Warteraum für die Reisenden. Die Entscheidung dazu fiel im Sommer 1906 im Aufsichtsrat des Deutschen Vereins für Gesundheitspflege. Genehmigungen zum Bau auf fremdem Land mussten eingeholt werden. Und so konnte bereits im Herbst des Jahres das kleine Gebäude ganz im Baustil der frühen Friedensauer Bauten, in einer Kombination von Backstein und Putz, seiner Bestimmung übergeben werden. Wer als Gast nach Friedensau kam, wurde mit der Aufschrift „Pabsdorf-Friedensau“ begrüßt.
Durch Kriegseinwirkung zerstört
Als am Ende des Zweiten Weltkrieges in den ersten Maitagen des Jahres 1945 die Rote Armee bis zur Elbe vordrang, wurde das kleine Wartehäuschen vollständig zerstört. Es wurde auch in den Jahren danach nicht wieder aufgebaut. Die großen Tage der kleinen Bahnen neigten sich bereits dem Ende entgegen. Lastkraftwagen, Busse und Personenwagen drängten den Kleinbahnverkehr immer weiter zurück. Nun konnte man nicht mehr während der gemächlichen Fahrt der Kleinbahn Blumen pflücken oder sich den Fahrtwind um die Nase wehen lassen, alles wurde schneller. Im Spätsommer des Jahres 1965 stellte die Kleinbahn ihren Betrieb ein. Der Personenverkehr wurde nun mit Bussen abgedeckt.
Die Natur überwuchert den Platz
Damit war das Ende des „Bahnhofes“ Pabsdorf-Friedensau besiegelt. Der Platz verfiel und verwucherte, Robinien machten sich breit. Wer heute Pabsdorf in Richtung Möckern durchquert und nach etwa 400 Metern den beiderseitigen Wald hinter sich gelassen hat, ahnt nicht mehr, dass auf der rechten Seite unmittelbar am Feldrand die Bahnstation Pabsdorf-Friedensau lag.
Dr. theol. Johannes Hartlapp, Dozent für Kirchengeschichte