Spuren der Geschichte …

19. Mrz. 2024 / Campusleben

Kaum jemand erinnert sich heute noch an den Friedensauer „Hottentottentempel“. In Zeiten, wo zu Recht diskriminierende Begriffe aus unserem Sprachgebrauch verschwinden, wäre ein solcher „Tempel“ fehl am Platz. Es gibt ihn auch nicht mehr! Aber es existieren immer noch Spuren, die jeder sehen kann.

Das Ministerium musste vorab zustimmen

Doch der Reihe nach. Im Sommer 1903 erhielt Ludwig Richard Conradi die Möglichkeit, mit dem Gouverneur der deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika (heute Tansania), Gustav Adolf Graf von Götzen, im Kolonialministerium in Berlin ein Gespräch zu führen. Nachdem von Deutschland aus bereits 1896 Missionare nach Südbrasilien ausgesandt worden waren, suchte Conradi, weitere Missionsstationen in Palästina und den deutschen Kolonien aufzubauen, vor allem im heutigen Tansania. Graf von Götzen stimmte zu, und Conradi nutzte die kommenden Monate, um mögliche Kandidaten, wie auch Missionskrankenschwestern, am Tropeninstitut in Tübingen ausbilden zu lassen. Als erstes Vorkommando sandte er (noch ohne die nötige Zusatz-Qualifikation) den in Friedensau ausgebildeten Pastor Johann Ehlers und den deutsch-amerikanischen Krankenpfleger A.C. Enns nach Daressalam. Etwa ein halbes Jahr später, im Februar 1904, machten sich vier Friedensauer Absolventen auf die Reise nach Deutsch-Ostafrika, unter ihnen der erste Friedensauer Schüler August Langholf. Die Herausforderung des Unbekannten spielte sicher auch eine Rolle dafür, dass immer wieder Absolventen von Friedensau in die verschiedenen Missionsgebiete gingen.

Von ihren Reisen brachten sie nicht nur Erfahrungen mit

Aber sie fuhren nicht nur in fremde Welten. Fast alle von ihnen kamen auf Heimaturlaub nach Deutschland zurück. Und dann erzählten sie ihre Erfahrungen, manche verfassten auch Bücher, wie zum Beispiel Ernst Kotz mit „Im Banne der Furcht“ (1922) oder Wilhelm Mueller mit „Erlebtes und Erlauschtes in Abessinien“ (1935). Manche von ihnen brachten auch Gegenstände mit nach Friedensau, wie Tierfelle oder Werkzeuge der Natives. Eigens dafür wurde in einem Raum unter der Aula ein Museum eingerichtet. Davon ist aber heute nichts mehr zu sehen. Nachdem das Lazarett 1947 aufgelöst wurde, waren auch die Exponate des Museums nicht mehr auffindbar.

Gepflasterter Weg als letzte Spur im Friedensauer Park

Außer dem Museum bauten ehemalige und zukünftige Missionare im Friedensauer Park auch eine afrikanisch aussehende Hütte mit einem Schilfdach, die in das gesamte Ensemble des Parks eingebettet war, und gaben ihr den Namen „Hottentottentempel“. Hier konnte man, wie in den Laubengängen des Parks, ruhig und zurückgezogen sitzen und sich erholen. Allerdings fiel die Holzhütte in Zeiten, als dringend Brennmaterial benötigt wurde, auch den Bedürfnissen der Friedensauer zum Opfer. Übrig blieb nur der Sockel des Gebäudes, der von einer Trockenmauer eingefasst war und über (vermutlich) sechs Stufen erreicht werden konnte. Dort standen Bänke. Das Ganze war durch eine etwa 1,20 m hohe Buchenhecke eingegrenzt. Die meisten übersahen diesen Platz und bemerkten auch nicht, als er (etwa) 2010 unvermutet abgerissen worden war. Was blieb und immer noch zu sehen ist, das ist ein kleiner gepflasterter Weg von etwa 3 m Länge, der auf dem Weg vom Erich-Meyer-Haus zum Wilhelm-Krumm-Haus plötzlich auf einer Grünfläche endet.

Missionare als „Diener“ der Gastländer

Eine Schlussbemerkung sei noch erlaubt: Conradi hatte eine eigene Missionsstrategie entwickelt, die sich deutlich von anderen adventistischen Missionsgesellschaften abhob. Seine Devise war: Wir müssen Diener der Länder sein, in die wir geschickt werden. Deshalb galt für die Missionare und Krankenschwestern als oberste Priorität, die Sprache der Menschen zu lernen, mit denen sie zusammenarbeiteten. Dass schon damals die klassische Mission in Afrika und anderen Ländern sehr kritisch angesehen wurde, lässt sich aus dem kleinen Buch des späteren Schulleiters Dr. Wilhelm Michael „Des Christen Schuld und Sühne“ (erschienen 1931) entnehmen: eine lohnenswerte Lektüre (Dr. theol. Johannes Hartlapp | Bildrechte: Theologische Hochschule Friedensau | Archiv).